Fördern statt fordern

Hallo an alle!
Wie ihr sicher bemerkt habt, ist es im Moment für mich schwer die Zeit zu finden, um meine Gedanke und Erlebnisse niederzuschreiben. Wir befinden uns nun vor der sechsten Sendung. Von nun an werden wir immer zwei Tänze vorführen. Die nächsten zwei Mal wird der zweite Tanz ein Gruppentanz sein, aber ab Sendung Nr. 8 geht’s dann ins Eingemachte. Zwei vollwertige Tänze choreographieren, einstudieren und präsentieren: da bekommen wir ganz schön was zu tun:). Aber erst mal müssen wir schauen, ob wir bis dahin kommen. Wir sind sehr optimistisch, aber die Ereignisse der letzten Sendung (vor Ostern) haben gezeigt, dass alles möglich ist. Uwe Kröger war ein guter Tänzer, er hatte immer gute Wertungen und trotzdem hat er die Sendung verlassen müssen. Das hat uns „Zurück-Gebliebenen“ ganz schön einen Denkanstoß verpasst. Auch wenn man ohnehin weiß, dass man immer das nächste Paar sein kann, das eventuell gehen muss, kommt man nicht umher zu hoffen, dass man mit einer hohen Punkteanzahl der Jury weiterkommen wird.
Zudem kommt noch dazu, dass wir uns in der Mitte der Sendezeit dieser Staffel befinden und das bedeutet: Lagerkoller! Ich meine damit einen Zustand der alles etwas schwerer macht. Sich zu motivieren und mit Freude an’s Werk zu gehen, wird in diesem Moment etwas mühsamer. Die ersten Erfolge sind zwar da, aber diese ersticken meist in den höheren Anforderungen (zwei Tänze, mehr Training, etc.) welche die  nächsten Wochen mit sich bringen.
Mirna und ich sind (ich nehme mal an) dadurch auch in der letzten Woche an einen Punkt gelangt, an dem man unser Training als erstarrt und kalt bezeichnen könnte. Unsere absolut geniale Gestalterin Lisa (Gestalter sind die Menschen, die für diese kurzen Filme über unser Training verantwortlich sind, und natürlich noch für sehr viel mehr …), die ja bei fast jedem Training dabei ist und uns mit einem Kamerateam filmt, ist eine sehr einfühlsame und aufmerksame Frau und hat uns verwundert angeschaut und gefragt: „Was ist los mit euch, euer Training ist so unterkühlt?! So kenne ich euch gar nicht!“ Es war das Training am Donnerstag vor Ostern, welches unsere Arbeit zu einem Punkt des Stillstandes geführt hat. Mirna konnte sich kaum noch konzentrieren und der Spaßfaktor war am Nullpunkt angelangt. Tränen wechselten sich mit Wutgefühlen ab und meine Geduld war – anders als sonst – sehr strapaziert. Ich ließ es mir nicht anmerken, aber ich ärgerte mich über diese Situation.
Da wir mehr Zeit hatten als sonst (aufgrund der Sendungspause am Karfreitag), bin ich das Samba-Training noch dazu anders angegangen. Dieses Mal begann ich die Trainingseinheit nicht mit einer fertigen Choreographie, sondern lies aus einzelnen Tanzelementen, die wir trainierten, eine Performance entstehen. Was Mirnas Auftreten förderte und ihr gut tat, generierte ich zu einem Showprogramm. Mein Plan war es am Ende des Wochenendes eine fertige Choreographie zu haben, die wir dann noch bis zum Freitag üben konnten. Ich erwähne diese Trainingsentscheidung aus folgendem Grund: der Rausschmiss von Uwe und Babsi aus der Sendung, der Lagerkoller und auch mein offen gestaltetes Training haben wohl dazu beigetragen, ein Gefühl von Unsicherheit entstehen zu lassen. Unsicherheit kann die Motivation an sich zu arbeiten, ganz schön erschweren. Man findet sich erstmals nicht schön genug, nicht gut genug, wahrscheinlich auch nicht geliebt genug und noch vieles mehr. Ich erinnere euch noch mal daran, dass es wohl einen Grund gegeben hat, der diese Unsicherheit ausgelöst hat (Rausschmiss, Lagerkoller, etc.) aber äußern tut sich so eine Situation immer anders. In unserem Fall eben darin, dass Spannungen entstanden sind. Spannungen, welche sich wahrscheinlich von Mensch zu Mensch auch ganz unterschiedlich auswirken und überhaupt erst zeigen. Dieser Tag hat jedenfalls einen absoluten Tiefpunkt in der bisherigen Staffel dargestellt . Ich muss aber dringend bemerken, dass er uns ein ganz schönes Stück nach vorne (wenn man das so sagen kann)  katapultiert hat. Lasst mich erklären. Gut, der Tag war nicht fein, deprimierend und das Wort niederschmetternd wäre wohl nicht zu stark, um meine Gefühle (und wohl auch jene von Mirna) an diesem Tag zu beschreiben. Aber es war ein Trainingstag von vielen. Das Resultat diese Situation war bereits am nächsten Tag deutlich sichtbar. Mirna und ich führten nach Abbruch des Trainings (ein Trainingsabbruch ist noch nie vorgekommen und stellt immer eine sehr mitreissende Situation dar) ein sehr ausführliches Gespräch.
Wir sprachen über Gefühle und Erlebnisse diese Situation betreffend. Woher diese „Unsicherheit“ wohl kommen könnte, wie wir damit umgehen können und noch vieles mehr. Danach gingen wir viel gelöster, wenngleich aber doch noch mit gedrückter Stimmung nach Hause. Am nächsten Tag trafen wir uns wieder in den Trainingsräumlichkeiten des ORF und siehe da …. wir tanzten Samba. Wir waren locker und voller Freude am  gemeinsamen Tanzen. Dazu kam, dass die technische Ausführung von Mirnas Bewegungen richtig gut waren (was sie noch immer sind:)) und ihre Ausstrahlung auch. Lisa (unsere geniale Gestalterin:)) richtet sofort wieder eine Frage an mich: …„was hast du bitte gemacht, von gestern auf heute?“… lautete ihre Frage. Tja und das will ich euch mitteilen.
Es war nicht die Arbeit von „gestern auf heute“ sondern die Art unserer gemeinsamen Arbeit bis zu diesem Krisenzustand und vor allem die Art und Qualität unserer Beziehung zueinander. Wenn ich mit Menschen arbeite, gehe ich davon aus, dass wir alle „uns – entwickelnde“ Lebewesen sind.  Ich meine damit, dass wir eine (ich sage einfach mal) Art Energie in uns haben, die uns wachsen lässt. Im direkten, aber auch im übertragenen Sinne. Mit Wachsen meine ich sowohl ein inneres Streben nach Selbstverwirklichung als auch das körperliche wachsen. Ein Beispiel, wie ich es in Schriften von Carl Rogers (dem Begründer der Klientenzentrierten-Psychotherapie) gelesen habe, wird veranschaulichen was ich meine. Er beschreibt unter anderem, dass ein Kind nicht gezwungen werden kann zu wachsen. Wir (erziehenden und zum Teil formenden) Erwachsene können das Wachstum des kleinen Körpers zwar unterstützen – durch passende Ernährung, Pflege, Liebe und vielem mehr – aber wir machen dieses Wachstum nicht. Wir sind höchstens Förderer (Rogers nennt so einen fördernden Menschen Facilitator) dieser  – von der Natur, Gott oder wie auch immer ihr dieses besondere Instanz nennen möchtet – mitgegebenen Energie.  So gehe ich auch in Trainings- und Übungssituationen hinein. Ich sehe mich selbst nicht als einen Menschen der über das (im Fall Dancing Stars) tänzerische Schicksal eines Menschen bestimmen kann und wird, sondern als einen Menschen der jemanden dabei fördern wird, sich zu entwickeln und zu wachsen. Ja vielleicht sogar sich selbst zu verwirklichen. Als Förderer habe ich dann natürlich auch andere Aufgaben. Die körperliche, sozusagen fleischliche Entwicklung des zu trainierenden Körpers, ist nur ein Teil der Arbeit. Das Miteinbeziehen der Gefühlswelt so wie die Beachtung der Beziehungsentwicklung zueinander, wird hierbei zu einem wesentlichen Bestandteil des Trainings. Ihr denkt vielleicht, dass ich übertreibe und aus einer Mücke einen Elefanten mache?? NEIN, mit Sicherheit nicht. Glaubt mir, wenn ich euch aus dem bisherigen Fundus meiner Trainingserfahrung erzähle, dass diese Elemente mindestens genauso wichtig sind wie die – natürlich auch nötigen – körperlichen Strapazen die man beim Tanzen lernen ertragen muss:)!!

Vergesst nicht die oben erwähnte Situation der Eskalation. Wir konnten durch ein einfaches, wenngleich auch gefühlsbetontes Gespräch, aus einer dem Gefrierpunkt nahen Situation des Stillstandes, einen regelrechten Vulkanausbruch machen.
Die Art wie wir bis dahin miteinander gearbeitet hatten und wie wir dadurch unsere (tänzerische) Beziehung gestalteten, ermöglichte es  uns, diese schwierige Hürde mit „Leichtigkeit“ zu bewältigen.

Ich denke, dass Spannungen und Gefühlsausbrüche natürliche Erscheinung sind, die beim miteinander Arbeiten entstehen. Deshalb bin ich im Laufe meiner Tätigkeit als  Trainer oder besser geagt Förderer:) zu dem Schluss gekommen, dass es sehr wichtig ist, sich mit verschiedenen Methoden und Trainingsthemen zu beschäftigen. Speziell wenn es darum geht, Menschen bei ihrer Entwicklung (egal welche Bereiche betreffend) zu fördern und zu unterstützen. Es ist niemals verschwendete Zeit wenn man – bei der Arbeit mit Menschen – darauf achtet, welche zwischenmenschliche Mechanismen dabei in Kraft treten. Im Grunde kann man das Wort „Arbeit“ weglassen und einfach sagen: Ersscheinungen, die beim Kontakt zwischen Menschen entstehen, kann man erkennen und es lohnt sich, diese auch zu beachten. Das war wieder einmal ein recht ausführlicher Bericht meiner Gedankenwelt. Oft fragen mich Menschen, wie ich das mit solchen Gefühlsausbrüchen erlebe. Wie es ist jemanden so nahe zu kommen, etc. Ich werde einen der nächsten Berichte nützen, um euch einiges dazu zu erzählen.

Bis bald
G

2 comments on “Fördern statt fordern”

  1. Michaela

    Vielen Dank für diesen interessanten Einblick und viel Glück für heute Abend. Ihr hättet es sicher verdient, aber es kann halt leider nur eine(r) gewinnen. Auf alle Fälle hoffe ich ganz stark, dass ihr in die nächste Runde kommt.

  2. Karin

    Hallo!
    Ich finde es super wie ihr zwei tanzt. Für mich seid ihr jetzt schon die Dancingstars. Ich wünschte alle lehrenden Menschen würden sich so viel Gedanken machen wie du. Leider ist das nicht der Fall. ich drücke euch GANZ FEST die Daumen.
    Liebe Grüße aus Südtirol
    karin

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